Nach unserer Umfrage zu den Industrie- und Gewerbeflächen im Hamburger Süden schildern einzelne Unternehmen ihre Erfahrungen bei der Suche nach einer geeigneten Fläche. In der zweiten Folge: August Ernst
„Man hatte uns nicht auf der Rechnung“
Der erste deutsche Nationalstaat war gerade als föderale, konstitutionelle Monarchie gegründet, als im Juni 1871 in dem kleinen Elbdorf Moorburg der Fuhrunternehmer August Heinrich Theodor Ernst in dem kleinen Elbdorf Moorburg mit zwei Pferden den Betrieb aufnahm. Heute ist die August Ernst Gruppe mit mehr als 50 Fahrzeugen und rund 100 Mitarbeitern Hamburgs älteste aktive Transportfirma, sie wird geführt von Heinz-August Ernst und seinem Sohn Timo.
Sie haben so manche Herausforderung überstanden, haben immer wieder neu denken müssen, sind Risiken eingegangen, haben auch mal Rückschläge hinnehmen müssen. Deshalb sahen sie in den Überlegungen, die Autobahnen A1 und A7 mit einer leistungsfähigen Straße zu verbinden auch eher eine Chance. Zunächst nannte sich das Projekt „Hafenquerspange“, als es dann nach Jahrzehnten konkreter wurde, war von der A26-Ost die Rede. Spätestens als der Trassenverlauf endgültig festgelegt wurde, begann man im Hause Ernst zu grübeln.
„Wir sollen eingekreist werden“, sagt Heinz-August Ernst. So etwas kann man heute zwar irgendwie regeln, aber er sah voller Sorge, dass die südliche Zufahrt zu Firmengelände am Moorburger Kirchdeich mindestens während der langen Bauzeit versperrt sein würde. Es bliebe eigentlich nur die Zufahrt aus nördlicher Richtung, also mitten durchs Dorf. Ernst: „Wir haben hier eigentlich ein sehr gutes Verhältnis zu den Nachbarn. Man kennt sich, grüßt sich, respektiert sich. Und man hilft sich.“
Deshalb waren sich Heinz-August und Timo Ernst einig, dass sie eine Lösung für die Zufahrt finden mussten, die ihre Nachbarn nicht unnötig belasten. Was die beiden dann erlebten, machte sie fassungslos. Sie wandten sich an die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), die die A26-Ost bauen soll. Und kassierten eine Abfuhr. Es sei nicht Aufgabe der DEGES, die Probleme einer kleinen Firma in Moorburg zu lösen. Selbst der Hinweis auf die nicht unerhebliche Gewerbesteuer, die das Fuhrunternehmen jährlich abführt, habe die Herrschaften in Berlin nicht beeindruckt. Hamburg müsse schließlich in den Länderfinanzausgleich zahlen. Deshalb käme es auf das Unternehmen als Steuerzahler wirklich nicht an.
Was war mit der Bezirkspolitik? Ernst: „Die hatten uns gar nicht auf der Rechnung.“ Es habe nur zwei Politiker gegeben, die sich immer mal wieder bei ihnen gemeldet hätten. Das sei zum einen der verstorbene Ralf-Dieter Fischer von der CDU gewesen, zum anderen aber auch Heinke Ehlers von den Grünen. Zur früheren Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen habe es dagegen kaum Kontakt gegeben. Man habe sich nur auf offiziellen Anlässen wie einem Jahresempfang gesehen. „Bei diesen Gelegenheiten habe ich Frau Fredenhagen dreimal auf unser Problem angesprochen“, sagt Heinz-August Ernst. Aber das habe keine Folgen gehabt, kein Anruf, nichts.
Aber das Traditionsunternehmen aus Moorburg wusste, dass man sich am besten selbst hilft. Es hatte längst Ausschau nach Ausweichflächen gehalten. In der Metropolregion Hamburg Süd betreibt August Ernst schon sieben Sandgruben. Nach einem Flächentausch hat die Firma jetzt ein größeres Grundstück südlich der Goodman-Ansiedlung am Postweg/Ecke Maldfeldstraße. Dort soll „Beckedorf V“ entstehen, eine etwa 2,2 Hektar große Fläche für kleinere und mittlere Betriebe. Der Clou: August Ernst wird bei allen geplanten Vorhaben auch als Projektentwickler auftreten.
Inzwischen sind die meisten Lkw des Unternehmens schon dort stationiert. Vater und Sohn schließen nicht aus, dass eines Tages der gesamte Betrieb dorthin verlagert wird.