Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vertrat immer wieder die Auffassung (so beispielsweise in seinen FAQs zum Coronavirus vom 16.03.2020), dass bei behördlich angeordneten Betriebsschließungen aufgrund der Covid 19-Pandemie der Arbeitgeber weiterhin zur Entgeltfortzahlung verpflichtet bleibe; die Gründe dafür, dass Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden können, lägen auf Basis der sogenannten Betriebsrisikolehre in seiner betrieblichen Sphäre.

 

Dieser schon beratenden Rechtsauslegung durch die Exekutive hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 13.10.2021 (5 AZR 211/21) inhaltlich eine klare Absage erteilt. Der Arbeitgeber trägt in einem solchen Fall gerade nicht das Risiko des Arbeitsausfalls. Er ist daher „nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen“.

 

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ging es um eine geringfügig Beschäftigte, die in einem Einzelhandelsgeschäft für Nähmaschinen und Zubehör im Verkauf tätig war. Aufgrund der behördlicherseits angeordneten Allgemeinverfügung wurde dieses Ladengeschäft zur Eindämmung des Coronavirus geschlossen. Die Mitarbeiterin konnte daher nicht arbeiten und erhielt kein Geld. Da sie als Minijobberin nicht unter die Sozialversicherungspflicht fiel, lagen leider auch nicht die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeit vor.

 

Das Bundesarbeitsgericht macht in seiner Entscheidung deutlich, dass die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung „Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage“ sei. Hier realisiere sich gerade nicht das in einem bestimmten Betrieb angelegte und damit vom Unternehmer zu tragende Betriebsrisiko, welches ansonsten sogar Naturkatastrophen und extreme Witterungsverhältnisse umfasse. Vielmehr beträfen die die Pandemiebekämpfung betreffenden hoheitlichen Maßnahmen „das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei“. In einer solchen Konstellation sei es Aufgabe des Staates, gegebenenfalls Maßnahmen zum Ausgleich der hieraus entstehenden finanziellen Nachteile – so beispielsweise durch die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes – zu treffen. Aus Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem wie bei geringfügig Beschäftigten könne daher keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers hergeleitet werden.

 

Ob diese vom Bundesarbeitsgericht nunmehr herausgearbeiteten unterschiedlichen Risikosphären auch bei anderen Konstellationen greifen, so beispielsweise bei behördlicherseits angeordneten Evakuierungen und damit verbundenen Betriebsschließungen bei Bombenentschärfungen, ist allerdings offen, da es sich bei der aktuellen Einschätzung des Bundesarbeitsgerichts, die bisher nur als Presseveröffentlichung vorliegt, um einen Ausnahmefall handeln dürfte.

 

Weitergehend zu prüfen ist in diesem Zusammenhang auch, ob der vom Arbeitgeber während der hoheitlich angeordneten Betriebsschließung gezahlte Annahmeverzugslohn zurückgefordert werden kann. Diese Fragestellung dürfte im Übrigen nicht nur die Minijobber, sondern auch die Arbeitnehmer betreffen, die den Abschluss einer Vereinbarung über Kurzarbeit verweigert haben. Es werden allerdings vereinbarte Ausschlussfristen, der Einwand der sogenannten Entreicherung auf Seiten des Arbeitnehmers, Pfändungsfreigrenzen bei etwaigen Verrechnungen und die Frage einer erfolgreichen Durchsetzung einer Vollstreckung zu beachten sein.

 

Im Ergebnis ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sehr zu begrüßen, macht sie doch im Spannungsfeld zwischen Arbeitnehmerschutz und betrieblichem Risiko klar deutlich, dass in dieser sehr besonderen Pandemie-Situation nicht jegliche Lösung dem Arbeitgeber aufzubürden ist, sondern in der Verantwortung der Gesellschaft insgesamt steht.


Autor Ingolf F. Kropp., Rechtsanwalt,

SCHLARMANNvonGEYSO
Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Partnerschaft mbB